Baum, sagt das Kind. Baum, wenn es einen Baum sieht. Baum, wenn es mehrere Bäume sind. Baum, wenn sich dahinter ein Pferd verbirgt. Baum, wenn es das Wort für Pferd nicht schafft. Baum, wenn es zu viel sieht, was grün ist. Baum für den Himmel. Baum für die Befriedigung, etwas gesagt zu haben, was leicht…
Read more23. Februar 2023
mir die Schreibhand kartografieren während beim Sprechen die falschen Verben meine Sätze beendenmontags vor der Kamera; das sind Klangähnlichkeiten ängstliches Wundern über ausbleibende Leere mittendrin einfach nicht mehr genug haben von den guten Worten Vergehen in mir drei Runden um den imaginären Park, der gut bewässert ist und grün. Keine Großstadtmenschen, die sich Tiere gegen…
Read more29. Januar 2023
Sie trägt die Bommel rechts und links. Die Mütze ist rosafarben, alles andere dunkel gehalten. Taillierte Daunenjacke, Leggings, hochgezogene Adidas-Socken, Nike-Schuhe, zwischen dem linken Zeige- und dem linken Mittelfinger eine brennende Zigarette. Der Arm gerade zum Körper, die Hand ausgeklappt, ein kleiner, kokelnder Flieger. Über der rechten Schulter eine Handtasche mit kurzem Griff. Zuerst aber…
Read more19. Januar 2023
Um seinen Körper verursacht das Blässhuhn kleine Wellen. Konzentrische Kreise auf der glatten Spree. Die roten Augen stecken spitznadelig am Kopf. Die weiße Blesse ist zum Habacht gehoben. Heute ist es der einzige Vogel. Vor zwei Tagen präsentierte sich eine Gruppe von Möwen auf dem Geländer vor den Sitzbänken. Man wusste schon gar nicht mehr…
Read more10. Januar 2023
Im Schienenersatzverkehrbus rotzt ein zwei Meter großer Mann auf den Boden. Ich denke noch einmal darüber nach. Ja, es müssten schon zwei Meter sein, er wirkt ja so raumfüllend, in vertikaler Hinsicht. Sind Businnenräume nach DIN-irgendwas mehr als zwei Meter hoch? Über ihm ist ja noch Platz. Sein lichtes, zur Seite gekämmtes Haar berührt die…
Read more1. Januar 2023
Er ist nur noch in zwei Dimensionen vorhanden, von oben sieht es aus, als habe er erst kürzlich den Versuch aufgegeben, auf der Stelle zu laufen – oder fort. Zwei Polizisten knien neben ihm, durchsuchen seine Jacken- und Hosentaschen, auf dem Trottoir liegen schon Schlüssel und Portemonnaie. Vorsichtig lehne ich mich aus dem Fenster. Ich…
Read moreÜber die Brücken einer bebenden Stadt
Misanthropisch beschwipst, ich sage spaßbefreit, und wieder jemand, der sich wünscht, sich in mir sehen zu können. Dabei auch wieder ich, die den goldverzierten Spiegel sucht im anderen. Ich kenn dich doch, sagt er und zerrt an meinem Haar. Wir kämpfen im Abstand um Nähe. Wir bluten, wir zeigen blitzblank geputzte Zähne. Vielleicht bist du…
Read moreFenster zum Hof
Er hat Bedenken, sie keine Lust. Keine Lust auf Verhandlungen. Auf seine gelebten Qualen, seine froschige Stimme, sein bewusst-unbewusstes Spiel mit dem Körper, abgefertigt zum quäkenden Sprachrohr, Medium des eigenen Leids. Die rechte Hand krallt sich haltsuchend in den linken Oberarm, die Haut schimmert eierschalenweiß und die Konsistenz seines Fleischs ist – auch aus der…
Read moreIn den Furchen fehlender Berührungen
Die Welt ist fliederfarben träge, Explosionen in Slowmotion, sagt da eine am Bundesratufer. Gebeugt auf Stöcken, die Arme ineinander gehakt, riecht ein faltenknautschiges, rundliches Paar mit demonstrativ geschlossenen Augen – und fällt, und vergeht, im süßlichschweren Strauch. Kann keene Maske tragn, sagt einer am Handy. Krieg keene Luft, hab doch vielleicht Asthma. Wie jetzt? Na,…
Read moreDu mit deinem alten Gesicht
Manchmal denke ich noch an dich und dein Fahrrad, das nostalgisch Schwarze, für das du dich entschuldigtest, jedes Mal, wenn wir uns trafen und ich nicht verstand, du hattest dich doch einmal entschieden dafür und wenn es für den Abschied noch nicht so weit war, warum solltest du es bereits öffentlich beklagen, dich suhlen in…
Read moreHeute ein Eis
Die Türen sind geöffnet, sperrangelweit. Kleine Glocken klingeln fein und Passanten lachen erregt ins innere Offen: Du auch wieder hier? Toi toi toi. Wir gucken nur. Heute Eis, morgen dann vielleicht mal nen Kaffee. Vorgestern saßen wir noch auf Jochen’s Bank und fragten uns, wann es sein wird, wann es uns wieder trifft, das Leben,…
Read moremoabiter feierabend
am morgen lecke ich dein müdes haupt, ich bin dir tier in guter kleidung was soll ich denn anfangen mit mir, sagst du. denn, sagst du, wenn ich nicht arbeite, dann sitz ich nur rum. dann sitz ich zuhaus und komm ins denken. ins denken komm ich und ins sehnen. du, sagst du, man sehnt…
Read moreFördebaden
Nacht, die nicht zu Ende geht
Der Schlaf ist gegangen, vor Tagen schon. Er ist gegangen, und mit ihm die Kalauer, Revierwitze, Oberflächenkontakte und das konzeptionell bedingte Gefühl der Stärke. Zwischen den Lidern krabbeln enttäuschte Erwartungen. Ihre Lederhäute tragen Dornen, fortwährend gebären sie abgenutzte Metaphern, gewagte Traumräume. Ein verschämter Blick durch die Tür: Die Statik stimmt nicht, es würde schmerzen, zu…
Read morein der nachbetrachtung
komm lass mich dich neu erfinden wochen schon hast du gelebt mit dir die haut ist alt das herzstück scheu und auch du bist wie du deinen scham pflegst anrüchig jetzt in der nachbetrachtung mit jeder erinnerung dunkeln die augen nach die kränze kugeln zwischen den fingerkuppen es gibt keinen schmerz den du nicht gefühlt…
Read moreWie Kiezgrößen entstehen – Eine Gebrauchsanweisung
Nimm ein Viertel, nicht groß. Ein Viertel kann schon eine Straße sein. Das ist legitim, ist mir mehrfach untergekommen. Wer das Ziel hat, schnell Bekanntheit zu erlangen, der suche sich am besten ein Ein-Straßen-Viertel. In der Straße sollte man aber nicht wohnen. Man hat ja nicht immer Muße, erkannt zu werden. Eine Wohnung in einer…
Read moreInnere Architektur
Man braucht eine Stele in sich. Etwas, das steht, und zwar fest, fest und aus Granit, mit Inschriften, Begrenzungen, Wegweisern. Ohne Stele keine Orientierung – nicht im Sieg, nicht in der Niederlage. Am Ende braucht man etwas, das herausragt aus einem. Von der Mitte kommend, durch die Speiseröhre, den Kopf überstreckt und der Mund zum…
Read moreach
lang seufzt der tag zwischen den zeilen stumm liegen verbrauchte ausrufezeichen in den nachkriegsschluchten der stadt ein semikolon achman ist und ist allein
Read moreEine Frau, eine Wohnung, ein Roman
Ich wollte weiterhin Feierabendreporter, mißbrauchter Lehrling und gut bezahlter Vorarbeiter sein. Eines Tages würde ich genauer wissen, was ich zu tun hatte und was nicht. Bis dahin mußte ich die Kühnheit haben, meine Zeit zu vergeuden und mich selber in der vergehenden Zeit zu belauschen. Wilhelm Genazino: Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman. München: dtv,…
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